Wetransfer, Washington und Wir: Warum digitale Souveränität kein Hobbyprojekt mehr ist

Souveränität beginnt mit Unbehagen

Ich hatte mir (und meiner Frau) versprochen, während meines Urlaubs keine Business-Blogs zu schreiben. Trotzdem bin ich hier. In der französischen Sonne, mit einem Glas Wein in der einen Hand und einem Laptop in der anderen. Warum? Denn die Panik um Wetransfer ist kein Vorfall, sondern ein Symptom für ein viel tieferes Problem. Im Juni 2025 beendete Wetransfer stillschweigend eine Klausel in ihren US-Nutzungsbedingungen. Es gab ihnen das Recht, Ihre Dateien zu verwenden, um KI-Modelle zu trainieren. Kein Opt-in, keine Transparenz. Nach internationalem Aufruhr wurde die Klausel gestrichen. Das Versprechen: „Wir verwenden Ihre Dateien nicht für KI“. Aber der Schaden ist bereits angerichtet. Vertrauen kommt zu Fuß und geht über Glasfaserkabel.

„Wer Convenience verkauft, sollte für Transparenz sorgen.“


Bequemlichkeit ist der Anfang des Verlustes.

Wir leben in einer Klickkultur. Ein Upload, alles arrangiert. Aber hinter dieser scheinbaren Einfachheit verbirgt sich eine unangenehme Wahrheit. Die KI-Klausel von Wetransfer bedeutete, dass Ihr Design, Ihre Fotos und Ihre Präsentationen (alles, was Sie teilen) möglicherweise zur Ausbildung generativer KI verwendet werden könnten. Ohne Ihre Erlaubnis. Ohne Entschädigung. Was nach juristischer Präzision klingt, ist in der Tat ein hinterhältiges Paket von Machtverschiebungen. Und die meisten Menschen klicken einfach auf „zustimmen“, weil es keine Alternative zu geben scheint. Das ist die eigentliche Tragödie: nicht den Angriff auf unsere Autonomie, sondern unsere freiwillige Hingabe an sie.

„Sie verschenken die Autonomie nicht auf einmal, sondern in tausend Mini-Akzeptanzen.“


Der CLOUD Act ist das eigentliche Leck

Auch wenn Wetransfer verspricht, Ihre Dateien nicht für KI zu verwenden, bleibt ein strukturelles Problem bestehen: die CLOUD-Gesetz. Dieses US-Gesetz verpflichtet jeden US-Dienstleister (ja, auch wenn sich die Server in Frankfurt befinden), Daten auf Anfrage an US-Behörden zu übergeben. Ihre europäischen Daten sind daher nicht sicher, solange sie unter die US-Rechtsprechung fallen. Sparen in Europa ist keine Lösung, wenn die Plattform selbst unter einer anderen Flagge fährt. Es ist, als würde man Geld in eine Schweizer Bank stecken, die vom FBI geführt wird. Und wir machen es en masse. Weil es funktioniert. Weil es einfach ist. Weil wir lieber unsere Daten verlieren, als unsere Gewohnheiten zu ändern.

„Ein EU-Rechenzentrum unter US-Flagge ist wie ein Safe mit dem Schlüssel bei den Nachbarn.“


Alternativen verdienen Platz (und Respekt)

Auf dem Campingplatz, auf dem ich dies schreibe, sah ich vier Leute mit einem Hemd von Soverin.net herumlaufen. Keine Umarmungen, sondern stille Bewunderung. Weil sie es anders machen. Keine Datenerfassung, keine KI-Tricks. Nur europäische Datenschutzgrundsätze als Grundlage. Wir brauchen mehr solcher Initiativen. Keine Nischenprojekte, sondern solide Alternativen. Was wir brauchen, ist Raum, Unterstützung und vor allem: verwenden. Warten Sie nicht, bis Big Tech durch den Korb fällt. Das ist schon lange her. Was wir brauchen, ist europäischer Mut. Wage es, nein zu sagen zu dem, was Amerika als Standard dient. Trauen Sie sich, etwas anderes zu bauen. Und das zu nutzen.

„Wirkliche Wertschätzung klingt nicht laut, sondern wächst in Stille.“


Zeit zu handeln, nicht zu reden

Während wir über Protokolle, APIs und rechtliche Rahmenbedingungen diskutieren, verändert sich die digitale Welt unter unseren Füßen. Die biometrische Altersüberprüfung, wie sie von PrivacyGuides.org diskutiert wird, ist nur ein Beispiel dafür, wie sensibel unsere Daten geworden sind. Die Europäische Kommission selbst arbeitet an einer Verordnung, die eine Altersüberprüfung über eine zentrale App vorschreibt (Mobile World Live). Mit all den Konsequenzen, die dies mit sich bringt: Gesichtsdaten, Identitätsdokumente und Verhaltensanalysen werden Teil eines digitalen Zugangstors zu Basisdiensten. Und wie Aura Salla es auf LinkedIn ausdrückt: Wenn Trump Zölle auf europäische Produkte will, muss auch Big Tech an der Reihe sein. Die digitale Infrastruktur, auf die wir uns täglich verlassen (Cloud, E-Mail, Messaging, Storage), ist nicht neutral. Sie ist zu einer geopolitischen Waffe geworden. Und wir stehen da und lachen, mögen und scrollen.

„Digitale Autonomie ist kein politisches Ziel, sondern eine Überlebensstrategie.“


Der Preis der Naivität

Wir haben uns mit Begriffen wie „Innovation“, „kostenlose Dienste“ und „Benutzerfreundlichkeit“ eingeschlafen. Aber hinter jedem kostenlosen Konto steht ein Umsatzmodell. Und hinter jedem Umsatzmodell steht eine Agenda. Naivität ist keine Sünde. Es ist ein Luxus, den wir uns nicht mehr leisten können. Die digitale Welt ist kein Spielplatz, sie ist ein Schlachtfeld. Und wir kamen mit einem Messer zu einer Schießerei.

„Wer glaubt, dass es sich um Kunden handelt, ist oft das Produkt, das verkauft wird.“

 

Quellen:

  • https://tecnobits.com/nl/WeTransfer-gebruikt-uw-bestanden-om-AI-te-trainen./
  • https://www.mobileworldlive.com/europe/eu-to-tighten-grip-on-big-tech-with-age-app/
  • https://www.privacyguides.org/articles/2025/05/06/age-verification-wants-your-face/#official-documents
  • https://www.linkedin.com/posts/aurasalla_tariff-activity-7350548385038237696-wEJR/

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